„Was hat dieses Bild mit dem GRÜNDONNERSTAG zu tun?“
Auf Facebook gab es schon einige Vermutungen und jede Menge Neugier zu dieser Frage. Hier kommt die Auflösung…
Auf dem Bild könnt Ihr Paulo sehen. Paulo ist über 70 Jahre alt und ein einfacher Bauer. Ein sympathischer, hilfsbereiter und unglaublich fleißiger Mann. Er lebt mitten im Nirgendwo, in einem kleinen Dorf in Brasilien, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Vor 16 Jahren habe ich mit ihm ein Haus gebaut. Und vor 2 Jahren konnte ich ihn endlich wieder besuchen.
Hier sitzt Paulo gerade auf seiner kleinen Veranda und schneidet Salat. Vorher sind wir durch’s Dorf spaziert und haben Freunde besucht. Nach dem Abendessen (Salat, Bohnen, Rindfleisch, Maniok und Reis) haben wir den Gottesdienst in der kleinen Dorfkirche mitgefeiert.
Ich könnte Euch noch unendlich viel mehr erzählen. Von der drückenden Hitze, die uns an diesem Tag ordentlich zum Schwitzen gebracht hat. Vom einzigartigen Geruch der Erde und der Natur. Vom Geschmack der Luft und vom Geschmack des leckeren Abendessens, das Paulo da zubereitet. Von den Geschichten, die wir uns erzählt haben und von den Tränen, die geflossen sind, als ich am Tag darauf wieder abreisen musste. Im Sommer werde ich Paulo wieder besuchen: Ihn umarmen. Mit ihm erzählen, lachen und weinen.
Dieses Bild – diese Erinnerung – bedeutet mir so viel. Und doch zeigt es nur einen winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit. Es kann nie das wiedergeben, was an diesem Tag geschehen ist. Ich kann Euch noch so viel erzählen. Ich kann das Bild noch so groß ausdrucken. Für Euch wird es immer nur ein Bild mit einer fremden Person bleiben, die Salat schneidet. Und auch für mich ist es am Ende „nur“ eine Erinnerung an einen vergangenen Tag.
Das Gleiche gilt im Grunde jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern. Auch heute. Am Gründonnerstag. Die Bilder, die wir uns „ansehen“, sind die Texte der Bibel, die wir im Gottesdienst hören. Geschichten, die uns von einem Abend erzählen, der mehr als 2000 Jahre zurück liegt. Geschichten vom Abendmahl und von der Fußwaschung. Vielleicht malen wir uns in unserer Phantasie auch Bilder dazu aus.
Wir sind Beobachter: Wir hören die Geschichten und sehen einen winzigen Ausschnitt dessen, was an diesem Abend tatsächlich passiert ist. Wir haben keine Ahnung davon, wie das Brot geschmeckt hat und der Wein, den Jesus seinen Jüngern ausgeteilt hat. Wir wissen nicht, wie sich seine Stimme angehört hat und wie er seine Jünger angesehen hat. Auch nicht, welche Gedanken und Gefühle die Jünger in diesem Moment bewegt haben.
Selbst in der Feier der Eucharistie sind wir zunächst wie Beobachter, die sich ein Bild ansehen: Unsere Augen sehen eine Hostie. Ein Stück Brot. Nicht mehr. Sie sehen nur einen Bruchteil dessen, was wirklich DA ist. Und wenn wir die Hostie, den Leib Christi, in die Hand nehmen und essen, dann ertasten und schmecken wir nur einen Bruchteil dessen, was wirklich DA ist. Mehr geben unsere Sinne nicht her…
Die Frage ist: Bleibe ich Beobachter?
Reicht mir das? Ist das genug für mich? Einfach nur zuzuschauen; eine interessante und spannende Geschichte zu hören – und danach wieder zu gehen?
Oder will ich MEHR?!
Macht mich das, was ich höre und sehe, neugierig? Und reicht diese Neugier aus, dass ich aufstehe und mich auf den Weg mache, um tiefer einzutauchen? Tiefer in das, was da wirklich geschieht? Spüre ich in mir die Sehnsucht, mehr als ein Beobachter zu sein? Die Sehnsucht, Jesus tatsächlich zu begegnen. Hier und jetzt?!
Mein Tipp: Es lohnt sich, aufzustehen und MEHR zu sein als ein Beobachter.
Ich weiß, dass das keine einfache Aufgabe ist. Unsere Augen sehen eben nicht mehr als ein kleines Stück Brot, das uns gereicht wird. Unsere Ohren hören eben nicht mehr, als die Geschichten, die uns vorgelesen werden.
Doch ich bin überzeugt davon, dass es Wege gibt, die uns MEHR sehen & spüren lassen. Dass Gott einen Weg zu uns finden kann. Einen Weg, auf dem wir Jesus, seinem Sohn, tatsächlich begegnen können. Denn er ist da – auch, wenn unsere Sinne das nur begrenzt wahrnehmen können.
Er ist da: Das hat er seinen Jüngern versprochen. Das hat er uns versprochen.
Er ist da – um Dich und mich in seine Arme zu nehmen. Er macht sich klein, geht vor uns in die Knie, um uns aus Liebe die Füße zu waschen. Er ruft uns, unsere Herzen zu öffnen – ihm zu folgen. Einzutreten in den Abendmahlssaal.
Jesus ruft Dich, die Beobachterrolle zu verlassen.
Seine Jüngerin / Sein Jünger zu werden.