Die Debatte zur Diskussionskultur im Netz sowie zum Umgang mit sogenannten Trollen und Hatern läuft schon seit einiger Zeit. „Trolle“ sind Menschen, deren Ziel es ist, schlechte Stimmung zu verbreiten, Menschen bewusst auf emotionaler Ebene anzugreifen und sie durch aggressives Anstacheln zum Gegenangriff zu bewegen. „Hater“ dagegen sind Menschen, die eine tiefe Wut bzw. Ablehnung bestimmter Positionen oder gesellschaftlicher Gruppen mit sich bringen und diese mit pauschalen und klar wertenden Urteilen angreifen und ablehnen.
Ihren Ursprung hat die Debatte in der Beobachtung, dass Diskussionen in Online-Foren und sozialen Netzwerken dazu tendieren, aus dem Ruder zu laufen und schnell aggressive Töne annehmen – nicht zuletzt durch eine wachsende Beteiligung von Hatern und Trollen in den Kommentarspalten. Diese Tendenz nimmt zu – der Peak scheint noch nicht erreicht.
Eine letztgültige Antwort auf die Frage „Wie geht man mit Trollen und Hatern um?“ gibt es noch nicht. Derzeit stehen mehrere Handlungsoptionen im Raum, welche z.B. in diesem Artikel auf Netzpolitik.org beschrieben werden.
Auch in kirchlichen Online-Kontexten ist die Debatte in den letzten Jahren und Monaten hochaktuell und brisant geworden. Ein kurzer Blick in die Kommentarspalten der Facebookseite der offiziellen Internetpräsenz der katholischen Kirche in Deutschland (katholisch.de) genügt um zu erkennen, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht: Die Diskussionskultur ist teilweise erschreckend niveaulos. Auf anderen kirchlichen Seiten und in den Kommentarspalten mancher „unabhängiger“ katholischen Nachrichtenseite sieht es nicht besser aus. Im Gegenteil.
Es steht die Frage im Raum, inwieweit eine Moderation der Kommentare sinnvoll, empfehlenswert oder gar ein Muss ist.
Diskussionskultur im Netz: Ein Beispiel…
Die Brisanz sowie die Dringlichkeit der Frage habe ich in der letzten Woche mit voller Härte gespürt: Der BDKJ Speyer hatte per Facebook eine Karikatur zum Thema „religiös motivierte Gewalt“ veröffentlicht und damit äußerst hitzige Diskussionen ausgelöst.
Beabsichtigt war eine Positionierung gegen jegliche Art und Form von Hass und Gewalt, die in einem religiösen Gewand daherkommt. Symbolisch wurden vermummte und bewaffnete Vertreter der drei großen Weltreligionen Islam, Judentum und Christentum gezeichnet, welche am Himmelstor abgewiesen werden. Die Aussage dahinter: Hass und Gewalt gibt es in allen Religionen – sie kann aber niemals durch Gott legitimiert werden.
Die Karikatur wurde vielfach kritisiert und in einer Art und Weise interpretiert, die dem Anliegen des BDKJ diametral entgegen stand. Da Karikaturen per se das Potential der Missinterpretation mit sich bringen, ist gegen Kritik zunächst auch nichts einzuwenden. Hier könnt Ihr eine entsprechende Kritik nachlesen – und hier eine mögliche Antwort auf die Kritik.
Bevor Ihr weiterlest, ein wichtiger Hinweis: Die Diskussion um die Karikatur des BDKJ nehme ich hier als Beispiel, um auf die Diskussionskultur im Netz zu blicken. Zur Karikatur selbst wurde an verschiedenen Orten bereits genug gesagt. Ich bitte Euch ausdrücklich darum an dieser Stelle nicht in eine erneute Diskussion über die Karikatur einzusteigen. Sie ist hier nicht das Thema.
Die Diskussion zur Karikatur hat mir gezeigt, dass es verschiedene Arten von Reaktionen gibt, die ich hier kurz aufzeichnen möchte.
1. Zustimmung
Die Karikatur wurde als gelungen empfunden und so verstanden, wie sie ursprünglich intendiert war. LeserInnen, welche die Karikatur „gut“ fanden, schrieben in der Regel kaum Kommentare sondern begnügten sich allenfalls mit einem „Like“
2. Kritik und/oder Ablehnung
Manche LeserInnen interpretierten die Karikatur anders als beabsichtigt und formulierten kritische Kommentare zu einzelnen Aspekten der Karikatur oder lehnten sie als Ganzes ab. Solche kritischen Kommentare sind berechtigt und wertvoll für eine sachliche Auseinandersetzung.
Ein Beispiel hierfür: „Die positive Intention nehme ich Euch durchaus ab – die Frage ist allerdings auch, ob es klug ist, eine Karikatur zu veröffentlichen, die so hochgradig missverständlich ist. Gerade wenn man weiß, dass einem gern böse Absichten unterstellt werden.“
Der BDKJ hat darauf reagiert, indem er eine Klarstellung veröffentlicht hat.
3. Der Graubereich: Zwischen Kritik, Ablehnung und Hatertum
Manche Kritik verließ mehr oder weniger die sachliche Ebene und mischte sich mit persönlichen Be- bzw. Verurteilungen des BDKJ aufgrund der Karikatur. Hier wird es schwierig: Die Frage stand im Raum, ob wir solche Kommentare eher stehen lassen oder eher löschen sollten. Eine einheitliche Lösung haben wir noch nicht gefunden, was de facto dazu geführt hat, dass wir von Fall zu Fall entschieden.
Solche Entscheidungen sind ambivalent und können im Einzelfall durchaus verschieden bewertet werden. An dieser Stelle passt der Spruch „Wie man’s macht, ist es falsch“ wohl ganz gut.
4. Hater
Es gibt Menschen, die dem BDKJ aus verschiedenen Gründen ablehnend gegenüberstehen. Dagegen ist zunächst wenig einzuwenden: Es ist ihr Recht, den BDKJ nicht zu mögen. Es gibt keinen moralischen und auch keinen Rechtsanspruch darauf, „toll“ gefunden zu werden.
Bisweilen äußert sich diese Ablehnung jedoch in unverhohlenem Hass und in pauschal abwertenden Bemerkungen. Hier eine kleine Auswahl (Tippfehler wurden nicht korrigiert): „Der BdkJ, ist wohl eherein Bund der Kommunisten und Anti-Christen, ein irgendwas, denn katholisch und wahrhaft gläubig!“, „Diese BdkJ Jugend ist verloren, denn sie wissen es nicht besser!“, „BDJK ist die überhaupt noch katholisch???“, „Den schrecklichen deutsch-kath. Kirchenverwüstern reicht ihr erfolgreiches, innerkirchliches Zerstörungswerk immer noch nicht, sodass sie auch noch die Jugend für ihr Teufelswerk verführen und missbrauchen!“, „So werden in Deutschland Kirchensteuergelder missbräuchlich verwendet. Gut, dass ich im Bistum Speyer nichts zahlen muss, ich würde hier die Zahlung mit dem heutigen Tag glatt einstellen.“, „Kann vom BDKJ etwas Gutes kommen?“, „Die scheinen ja völlig verwahrlost, verwirrt zu sein.“, „Wieso nennt sich dieser Vetein eigentlich noch katholisch? Ihr seid so katholisch wie Pro Familia.“
Solche Kommentare haben wir teilweise bewusst gelöscht – teilweise auch stehen lassen, um den Leser/innen einen Einblick in die Diskussionskultur zu geben.
5. Trolle
Die Unterscheidung zwischen „Trollen“ und „Hatern“ gelingt nur bedingt. Bei manchen der oben zitierten Kommentaren bleibt für mich die Frage offen, ob es „Hater-„ oder „Trollkommentare“ sind. M.E. besteht der Unterschied auch und vor allem darin, dass Trolle unterschiedslos alles, was z.B. der BDKJ äußert, mit eindeutigen Kommentaren versehen wird, während „Hater“ in unterschiedlicher Regelmäßigkeit in Aktion treten und vor allem dann etwas kommentieren, wenn es ihnen mal wieder zu weit geht…
Ein persönliches (!) Fazit:
- Die Diskussionskultur innerhalb der kirchlichen Online-Welt befindet sich auf einem absteigenden Ast und ist bisweilen erschreckend niveaulos.
- Es steht die Frage im Raum, ob es allen an entsprechenden Diskussionen beteiligten Seiten gelingt, auf eine faire und sachbasierte Argumentationsebene zurückzukehren. Ich frage mich bisweilen auch, ob das von allen Diskussionspartnern gewollt ist.
- Sollte es nicht gelingen, einen respektvolle Art und Weise des Umgangs miteinander zu finden, bleibt zumindest bei mir ein äußerst fader Geschmack zurück: Das Bild von Kirche, welches der Welt durch hasserfüllte und abwertende innerkirchliche Diskussionen gezeigt wird, ist beschämend.
- Kritik ist wichtig. Sie darf und muss ihren Raum behalten – und muss sich genau prüfen, ob sie die Grenze zum Hater- oder Trolltum nicht überschreitet.
Noch ein Schlusswort:
Ich bin mir bewusst, dass dieser Artikel wenig ändern wird und kann. Trotzdem ist es mir wichtig, diese Gedanken, die mich in den letzten Tagen beschäftigt haben, „loszuwerden“. In der leisen Hoffnung, dass sich alle LeserInnen fragen, wie es um ihren eigenen Umgang mit der Diskussionskultur bestellt ist…
Da ich mir jetzt gerne mal eine Pause von Hater- & Trollkommentaren gönnen würde, werde ich Beiträge, die in diese Richtung gehen weder freischalten noch beantworten. Das darf man blöd finden und kritisieren – aber dieses Recht nehme ich wahr.
2 Antworten zu “Gedanken zur Diskussionskultur im Netz”
Volle Zustimmung. Ich teile deine Einschätzung zu dem Sittenverfall in der Diskussionskultur. Es nützt auch nichts, den Spinnern argumentativ entgegen zu treten. Du wirst ein zerfressende Dialoge verwickelt, die nichts bringen.
Ein paar – eher theoretische – Gedanken zu dem Thema…
Es gibt da einen Fachbegriff aus der Sozialpsychologie – die Aggressionsverschiebung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aggressionsverschiebung
Die Aggressionsverschiebung ist ein in der Politik nicht selten angewandtes Mittel, um von tatsächlich bestehenden gravierenden Problemen abzulenken. Die Wut wird – teilweise – durch gezieltes Anfixen auf einen ungefährlichen Nebenschauplatz geleitet. Beispielhaft sind hier die Bücher von Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky, aber auch das Thema „Ausländer“-Maut, mit dem die CSU bei der letzten Bundestagswahl gepunktet hat.
Mit dem Einsetzen des Instruments der „Aggressionsverschiebung“ werden Proble, die tatsächlich den Leuten im Lande auf den Nägeln brennen – wie z.B. der Beschiss bei der „Privaten Vorsorge“, die nur den Erfindern Riester, Rürup und Bahr sowie den Finanzdienstleistern genutzt haben, konsequent in der Öffentlichkeit DETHEMATISIERT.
Und so ein Vorgehen ist kein Einzelfall, wie ein weiteres aktuelles Beisiel zeigt: dass es im Vorfeld der Wahl Bodo Ramelows zum Thüringischen Ministerpräsidenten zu erheblichen Unregelmässigkeiten gekommen ist – es steht der Vorwurf im Raum, die thüringische CDU habe versucht, zwei SPD-Abgeordnete zu bestechen – wurde von der aufgeregten PEGIDA-Debatte vollkommen verdeckt.
http://www.mz-web.de/mitteldeutschland/bestechungswuerfe-um-ramelow-wahl-ermittlungen-werden-ausgeweitet,20641266,29519308.html
Dabei ist das, was da in Erfurt passiert ist, ein politischer Skandal grössten Ausmasses – es geht darum, dass man offenbar versucht hat, Abgeordnete zu kaufen; dass da genau das statt gefunden hat, was die Wütenden der Politik immer vorwerfen. Nur: den Skandal bemerkt keiner. Weil die Aggressionen auf einem komplett anderen, für die CDU völlig ungefährlichen Schauplatz gelenkt wurden. Die Demonstranten in Dresden oder Leipzig nehmen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahr – egal, wie man dazu steht, man muss es ihnen zugestehen. Was in Thüringen unbemerkt passiert ist, ist ein handfester Angriff auf die Demokratie.