De Slufter. Mit etwa 700 Hektar ist er das größte Salzwiesengebiet der Niederlande. Die Gezeiten haben sich hier, an der Westküste der Watteninsel Texel, eine atemberaubende Bühne erschaffen. „Schaut her und staunt“ rufen Meer, Wind und Wellen. „Schaut her, wie wir eine Landschaft formen, die rau und romantisch, eintönig schlicht und kunstvoll schillernd ist. Immer gleich und doch immer anders. Beständig dem Wechsel der Zeit unterworfen. Weit und wild.“
Ein Räuspern neben mir.
„Ja, bitte?“ frage ich, nehme die Kamera vom Auge und drehe mich um.
Der schwarze Hund blickt abwechselnd in die Ferne und zu mir.
„Ich weiß ja nicht“ sagt er. „Entweder hast du heimlich holländische Kräuter geraucht oder du hast eine Zauberlinse vor deiner Kamera.“
„Wie bitte?“
„Naja. Ich seh hier kein weit und wild. Auch kein rau und romantisch. Eigentlich seh ich gar nix. Nur eine weiß-wabernde Nebelwand. Und nen Typen, der das weiße Nichts fotografiert…“
„Das ist doch total spannend“ rechtfertige ich mich.
„Spannend? Das ist totlangweilig!“ mault Phil.
„Weißt du noch, letztes Jahr? Da waren wir auch hier“ wage ich den Versuch, meine Faszination für diesen Fleck Erde zu erklären.
„Ja. Letztes Jahr war’s ganz nett hier.“ stimmt Phil zu. „Da hat man wenigstens was gesehen!“
„Ganz nett“ schnaufe ich. „Du bist ausgeflippt vor Freude. Bist am Strand rumgedüst wie eine Rakete. Hast dich ins Meer geworfen und danach im Sand gewälzt…“
„Oh ja“ lächelt der Vierbeiner.
„Warte mal auf nachher“ grinse ich. „Wenn wir über den Dünen sind. Ich verwette mein Gesäß, dass du auch heute wieder ausflippen wirst. Nebel hin oder her.“
„Ach was.“ murmelt Phil trotzig. Er hockt sich unauffällig auf seine aufgeregt wedelnde Rute, die eine ganz andere Sprache spricht.
Ich wende mich wieder meinem Motiv zu und drücke den Auslöser. Klick. De Slufter im Nebel.
„Weißt du“ sage ich zu Phil. „Kann sein, dass die Fotos heute keinen Preis gewinnen werden. Da wird nicht viel drauf zu sehen sein. Aber du und ich. Wir beide wissen, dass da ganz viel ist. Dass sich hinter dem Nebel eine grandiose Landschaft versteckt. Die ist da. Auch, wenn man sie gerade nicht sehen kann. Da kann der Nebel noch so sehr versuchen, ihre Schönheit zu verbergen.“
Eine Minute lang schweigt mein Gefährte und schaut gedankenverloren ins Nichts.
„Ist ein bisschen wie mit deinem Glauben an Gott.“ sagt er schließlich. „Oder?“
„Wie bitte?“
„Na. Ist doch klar. Wie oft erlebe ich dich zweifelnd und ringend. Weil du deinen Gott in all dem Nebel nicht sehen kannst. Weil du nicht weißt, wie’s weitergeht. Weil dir der Blick auf den Horizont fehlt.“
„Uff.“ stöhne ich. „Versuchst du gerade, meiner guten Laune nen Dämpfer zu verpassen?“
„Warte doch mal“ unterbricht mich Phil. „Lass mich ausreden.“
Ich warte.
„Und trotzdem“ redet er weiter „gibst du nicht auf. Selbst im dichten Nebel bleibst du dran und suchst nach ihm. Weil du ihn schon mal gesehen hast. Weil du in dir drin weißt, dass er da ist. Verborgen im Nebel – aber da. Du weißt auch, dass der Nebel nicht bleiben wird. Dass der Wind ihn früher oder später wegwehen wird. Dass dann die Sonne rauskommt und die ganze Landschaft klar und deutlich vor dir liegen wird.“
Ich stehe da und blicke wehmütig und zugleich hoffnungsvoll in den Nebel.
„Gut zu wissen, dass er da ist“ sage ich.
„Wer? De Slufter oder Gott?“ fragt Phil.
„Beide. Wäre nur schön, wenn der Wind langsam mal auffrischen würde.“
„Das wird er“ lächelt Phil. „Versprochen.“
„Und jetzt?“
„Jetzt packst du deine Kamera ein und wir gehen Richtung Strand. Party machen.“
„Los geht’s“ sage ich. Doch Phil hört mich schon nicht mehr. Er ist schon losgedüst.
Den Weg kennt er. Selbst im dichtesten Nebel.
Und hier noch ein Bild ohne Nebel 😉
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