Friedenslicht

„Hey Phil. Willst Du mal was ganz Besonderes sehen?“
Der schnarchende Hund hebt seinen Kopf und ist sofort hellwach. Mit einem Satz hüpft er von der Decke und steht neben mir.
„Leckerlies?“

„Nee. Nicht ganz.“ sage ich und zeige ihm, was ich meine.
„Eine Kerze?“ Der Hund runzelt die Stirn. „Aha. Ganz toll.“ fügt er mit einem deutlich hörbaren ironischen Unterton hinzu.
„Das ist nicht irgendeine Kerze.“
„Ist es nicht?“
„Naja. Die Kerze schon. Aber des Feuer, mit dem sie brennt. Das ist was Besonderes!“

Phil betrachtet die kleine Flamme. Vorsichtig schnuppert er dran.
„Hmmm. Also ich merk da nix Besonderes. Brennt halt rum und macht Licht.“
„Tja.“ sage ich. „Manchmal lässt sich das Besondere halt weder sehen noch erschnuppern. Es ist einfach nur da.“

„Alter. Jetzt hör auf, so kryptisch rumzulabern. Mach endlich deine Ansage!“
„Jaja. Ist schon ok. Also: Das Feuer, das du da siehst, kommt aus Betlehem.“
Jetzt ist der kleine Hund völlig irritiert. „Häh?“

„Es ist so“ erkläre ich. „Jedes Jahr reist eine Gruppe von Pfadfinder*innen nach Betlehem. Sie besuchen die Kirche, die an dem Ort steht, an dem Jesus geboren wurde. Dort entzünden sie eine Kerze und bringen danach das Licht in die ganze Welt.“
„Boah. Was für ein Aufriss.“ Phil schaut mich fragend an. „Du willst sagen, dass da irgendwelche Jugendlichen in ein Kriegsgebiet fahren, um eine alberne Kerze anzuzünden?“
„Genau das will ich sagen. Ich find’s aber als Andere als albern. Stell dir das mal vor: Die gehen dahin, wo Krieg ist, und nehmen eine winzige brennende Flamme mit. In der Hoffnung, dass sie ein paar Tage später auf der ganzen Welt leuchten kann.“

„Die sind ganz schön mutig“ stellt der Hund fest.
„Die sind nicht nur mutig. Die haben echt Hoffnung. Die hoffen drauf, dass dieses kleine Licht überall auf der Welt ein Friedenszeichen sein kann. Gegen den Krieg. Gegen das Böse. Gegen das Dunkle.“

Mein Weggefährte betrachtet die kleine brennende Kerze. Ihr Licht spiegelt sich in seinen Hundeaugen. Eine gefühlte Ewigkeit lang sind wir beide still. Denken nach. Schweigen.
„Und du meinst, der ganze Act bringt was?“ hakt Phil nach.
„Irgendwie schon“ überlege ich. „Naja. Wahrscheinlich wird er nicht direkt dafür sorgen, dass morgen Frieden in Betlehem ist. Aber solange es Menschen gibt, die sich nach Frieden sehen. Die die Hoffnung nicht aufgeben…“

Phil schaut mich an. Er schaut die Kerze an. Traurig sieht er aus, der kleine Hund. Traurig und sehnsüchtig. „Das wär schon was.“ meint er. „Wenn alle, die sich nach Frieden sehnen ein Licht anzünden würden. Vielleicht… wär das ja ein Anfang.“

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