Lieber Bruder Franz.
In einem Interview mit der AP hast Du diese Tage recht deutliche Kritik am Synodalen Weg geäußert, der Deiner Meinung nach „von einer Elite veranstaltet“ werde. Das hat mich und viele andere ein wenig irritiert.
Da es Dir, wie Du immer wieder betonst, wichtig ist, auf eine gute Art und Weise miteinander zu umzugehen, könnte jetzt ein guter Zeitpunkt sein, miteinander über Kommunikation, Sprachgebrauch und gemeinsame Grundlagen einer verlässlichen Diskussionskultur nachzudenken.
Möglicherweise liegt ein Ursprung der gerade zutage tretenden Irritationen darin, dass uns bisweilen gemeinsame Begrifflichkeiten abhanden gekommen sind. Wenn das passiert, beginnen wir Begriffe (wie „Elite“) zu nutzen, sie unterschiedlich zu verstehen und völlig aneinander vorbeizureden. Das führt zu Missverständnissen, die niemandem weiterhelfen…
Der Einfachheit halber – und um in der Sache vorwärts zu kommen, schlage ich hiermit vor, dass wir in unserem weiteren Gespräch der allgemein anerkannten Umschreibung des Begriffs „Elite“ folgen. Wikipedia schreibt dazu:
„Elite (urspr. vom lateinischen eligere bzw. exlegere, „auslesen“) bezeichnet soziologisch eine Gruppierung (tatsächlich oder mutmaßlich) überdurchschnittlich qualifizierter Personen (Leistungseliten, Funktionseliten) oder die herrschenden bzw. einflussreichen Kreise (Machteliten, ökonomische, juristische Eliten) einer Gesellschaft.“
Wenn Du dieser Umschreibung zustimmen kannst, lass uns den nächsten Schritt gehen und auf unsere (bzw. seine!) Kirche schauen.
- Die Kirche ist hierarchisch verfasst (die entsprechenden rechtlichen Dokumente und Quellen kennst Du). Ob das aus der theologischen Warte wirklich genau so sein muss und gottgewollt ist, ist ein Fass, dass wir vielleicht mal bei einer anderen Gelegenheit aufmachen sollten.
- Kurz gefasst haben wir Dich (den Papst) und die Bischöfe. Ihr leitet die Kirche. De facto seid Ihr eine hierarchisch von oben eingesetzte Gruppe von Menschen mit absoluten Machtanspruch, welche sich historisch betrachtet in zunehmendem Maß nach außen und unten abgrenzt und damit den Machtanspruch sichert. Ihr seid (obenstehender Definition folgend) Elite!
- Einige aus Eurer Gruppe haben den starken Eindruck, dass dieses System mit konstruktiven Fallen und Fehlern behaftet ist, welche auf Dauer und insgesamt der Glaubwürdigkeit der Kirche schaden und dem „Markenkern“, der Frohen Botschaft zumindest in Teilen massiv widersprechen. Sie setzen sich für systemische Änderungen ein, um weiteren Schaden abzuwenden und die Glaubwürdigkeit der Kirche wieder zu stärken.
- Weiterhin haben wir den synodalen Weg in Deutschland, welcher durch die Synodalversammlung repräsentiert wird. Diese ist eine Gruppe, welche sich aus den deutschen Bischöfen zusammensetzt, aus berufenen Mitgliedern und aus demokratisch von unten nach oben gewählten und legitimierten Vertreter*innen. Aus nachvollziehbaren Gründen war es auch hier ein Anliegen, möglichst qualifizierte Menschen einzubeziehen und ihnen Verantwortung zu übertragen.
- Im Unterschied zur Machtelite (die Bischöfe alleine) war es jedoch zudem ein erklärtes Ziel, eine möglichst diverse Gruppe von Menschen zusammenzustellen, welche die vielfältigen Glaubens- und Lebenshaltungen der Gesamtheit abbildet, solidarisch für diese Partei ergreift und Macht (besser Verantwortung) gerecht und klug verteilt.
- Die Synodalversammlung versucht, konstruktiv und geschwisterlich miteinander ringend nach den Zeichen der Zeit zu forschen, sie im Licht des Evangeliums zu deuten und daraus konkrete Folgerungen und Handlungs- sowie Haltungsoptionen für die Kirche von heute (und morgen) zu finden. (Sorry, das könnte man theologisch sicher noch sehr viel gewählter und feiner ausdrücken – aber Du weißt, was ich sagen will).
Was passiert nun durch Deine Äußerungen, liebe Bruder Franz?
Durch die Behauptung, die Synodalversammlung wäre ein „elitäres Gremium“ hast Du eine sprachliche Nebelkerze entzündet. Man könnte Dir in diesem Moment sogar unterstellen, dass Du als oberste Stelle eines zutiefst elitären Systems versuchst, von selbigem abzulenken und dadurch Deine / Eure eigenen elitären Machtansprüche zu sichern.
Ein solcher Griff in die rhetorische Trickkiste ist nicht nur entlarvend und leicht durchschaubar. Er verlässt gleichzeitig die Basis jeglichen rationalen Diskurses und eines konstruktiven Miteinanders. Durch die ins Gegenteil verkehrte Verwendung einer allgemein anerkannten und definierten Begrifflichkeit (ganz im Stil der Fake-News-Taktik, in der aus Querdenkern Querdenker werden (sic!)) lenkt er zudem von den immer deutlicher zutage tretenden Konstruktionsfehlern der eigenen Machtelite ab und diskreditiert die aus der Mitte der Basis gewählten Vertreter*innen der kirchlichen Gemeinschaft.
Bruder Franz.
Das ist nicht mehr „flapsig“.
Selbst, wenn Du hier „nur“ in die Falle einer ziemlich heftigen kognitiven Dissonanz hineingetappt sein solltest: Es ist irreführend, die Glaubensgeschwister verletzend und schadet der Kirche in Deutschland und darüber hinaus. Damit kommst Du Deiner Verantwortung als Brückenbauer (Pontifex Maximus) nicht mehr nach.
Ich wünschte, Deine Äußerungen über die „Elite“ wären nicht mehr als ein „versehentlicher sprachlicher Ausrutscher“, den Du dringend klarstellen solltest. Das wäre und ist peinlich, sicher. Aber es wäre zähneknirschend verzeihbar. Und es wäre immer noch besser zu ertragen, als der ansonsten naheliegende Schluss, dass das ganze weltkirchliche Projekt „Synodalität“, welches Du zumindest vordergründig so stark vorantreibst, nur ein Lippenbekenntnis ist. In diesem Fall würde nämlich die wirkliche Elite das ganze Kirchenvolk im altbekannten Stil der „Brot und Spiele“ an der Nase herumführen, beschäftigen und anlügen – alleine um die eigenen elitären Machtansprüche zu sichern. Wer DARIN dann noch die Frohe Botschaft finden wollte, müsste schon sehr tief graben…
Und jetzt? Lass uns miteinander weitergehen. FÜR die frohe Botschaft. MITEINANDER und mit verlässlichen Spielregeln. Ohne schillernde und irreführende Begrifflichkeiten, die mehr Schaden anrichten, als dass sie nützlich sind.
Herzlichst und in Christus verbunden
Dein Bruder Carsten