Die CDU feiert sich derzeit selbst. Unter dem Hashtag „Wir handeln“ präsentiert sie in den sozialen Medien ihre Erfolge: Die geplante Reform des Gebäudeenergiegesetzes, das Kippen des Verbrenner-Aus, permanente Grenzkontrollen und den Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. All das wird garniert mit einer Rhetorik, die immer wieder entgleist – man denke an die „Stadtbild“-Debatte oder die diplomatische Instinktlosigkeit gegenüber Brasilien.
Ich halte diesen Kurs für ein Spiel mit dem Feuer. Nicht, weil die Themen unwichtig wären – sondern weil Auswahl, Zuspitzung und Frames auffällig stark an das anschließen, was die AfD seit Jahren in die Debatte drückt.
Politik ist nicht nur Gesetzestext, sondern auch Erzählung: Welche Themen werden aufgeladen? Welche Begriffe normal? Genau hier entsteht Gefahr. Wenn eine demokratische Partei dauerhaft Abgrenzung, Härte und Zurückweisung betont, verschiebt sich der Maßstab: Dann wirkt nicht mehr „Was ist rechtlich möglich und gesellschaftlich klug?“, sondern „Wer ist am härtesten?“.
Das Dilemma in den Kommentarspalten
Ein Blick auf die Reaktionen entlarvt das Dilemma. Statt die Gesellschaft zu einen, vertiefen diese „Erfolge“ die Gräben. Es zeigen sich zwei unversöhnliche Lager:
Die Mahner der Vernunft weisen darauf hin, dass die gefeierten Rückabwicklungen Augenwischerei sind. Das Heizungsgesetz – dessen Rahmen (GEG) unter Merkel eingeführt wurde – wird populistisch geschleift, ohne das Problem zu lösen. Die Aufweichung des „Verbrenner-Aus“ schadet dem Klima und hilft einer Industrie, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Grenzkontrollen verlagern irreguläre Migration, statt sie zu verhindern. Der eingeschränkte Familiennachzug erschwert Integration.
Die Unersättlichen – jene, die abgeholt werden sollen – bleiben unzufrieden. „Viel zu lasch“, „Nur das Original“ tönt es aus den Kommentarspalten. Die CDU bedient rechte Narrative, wird aber nicht als glaubwürdig wahrgenommen.
Warum das am Ende der AfD nutzt
Das Ergebnis? Wenig überraschend, aber demokratisch fatal. Die Strategie der Anbiederung funktioniert nicht. Zudem ist sie politikwissenschaftlich als „Konvergenzthese“ gut dokumentiert: Wenn demokratische Parteien Positionen von Rechtsaußen übernehmen, erreichen sie das Gegenteil. Wer rechte Narrative übernimmt, legitimiert die AfD. Die Union verschiebt die Mitte nach rechts und macht menschenverachtende Haltungen salonfähig.
Am Ende gilt im Supermarkt wie an der Wahlurne: Die Menschen greifen lieber zum Original als zur Kopie. Historische Beispiele gibt es genug: Die ÖVP unter Kurz übernahm FPÖ-Rhetorik und stärkte die Rechten. Die französischen Republikaner schwächelten mit Front-National-Themen. Die CDU ist auf demselben Weg.
Was konservative Politik leisten könnte
Ich verorte mich selbst politisch nicht im konservativen Lager. Dennoch – oder gerade deshalb – halte ich eine starke, demokratische konservative Partei für essenziell für die politische Vielfalt in unserem Land. Wir brauchen eine konservative Kraft mit aufrechter Haltung, die als Bollwerk gegen Rechts fungiert, statt ständig nach dort zu schielen.
Wer Ordnungspolitik will, kann sie vertreten – ohne Rechtsbrüche zu insinuieren. Wer Migration steuern will, kann das tun – ohne Ressentiments zu bedienen. Wer Industrie und Klima zusammendenken will, kann es tun – ohne die Zukunft als Kulturkampf zu verkaufen.
Konservative Politik könnte Integration fördern statt ethnisieren. Ein Einwanderungsgesetz schaffen, das zwischen Asyl und Arbeitsmigration unterscheidet. Wirtschaft und Ökologie verbinden. Klarmachen, dass komplexe Probleme differenzierte Antworten verdienen. Konservativ sein heißt: bewahren, was trägt, und gestalten, was kommt.
Die CDU hätte alles, um eine echte Alternative zur AfD zu sein. Wirtschaftskompetenz, Verwaltungserfahrung, ein Netzwerk in der Zivilgesellschaft. Aber sie verspielt dieses Kapital, indem sie nach rechts schielt statt nach vorne zu schauen.
Der aktuelle Kurs bringt das demokratische Gleichgewicht aus dem Takt. Er ist kontraproduktiv und führt zu nichts – außer zu einem weiteren Erstarken des Rechtsextremismus. Es ist Zeit, dass die Union aufhört zu „handeln“, wie es der rechte Rand verlangt, und anfängt, Verantwortung für die Stabilität unserer Demokratie zu übernehmen.
Disclaimer: Warum ich als Staatsbürger, Demokrat, Christ und Priester Position beziehe
Nicht parteipolitisch, sondern demokratisch. Nicht für eine Partei, sondern für Menschenwürde. Das Evangelium ist politisch – es fordert uns heraus, Stellung zu beziehen, wenn Grundwerte auf dem Spiel stehen.
