(Nicht) anfassen!

„War ja zu erwarten.“
Genervt rolle ich mit den Augen.
Der dösende Hund hebt seinen Kopf. „Was war zu erwarten?“ will er wissen.
„Na, dass es Kommentare gibt. „Soziale“ Medien und so…“

„Hast du mal wieder provoziert?“
„Provoziert? Ich hab ein paar Bilder von Fronleichnam gepostet. Von unserer Prozession durch Winnweiler. Also bitte. Noch braver und frommer geht’s wohl kaum.“
Phil räuspert sich. Und wartet ab.

„Ja… Ok… Wir haben was ganz furchtbar Anstößiges gemacht. Wir haben uns beim Tragen der Monstranz abgewechselt. Gabriele und ich.“
„Waaaas? Eine Frau hat es gewagt, den Jesus anzufassen?“ ruft Phil mit gespieltem Entsetzen. „Blasphemie! Weltuntergang!“

Ich schnaufe.
„Ist ja gut“ meint der Vierbeiner. „Was gab’s denn für Kommentare?“
„Den hier: „Warum trägt die Frau die Monstranz? Und das auch noch mit bloßen Händen!“ Dazu ein weinendes Smily.“
„Ein Weiny“ korrigiert der Hund. „Mal im Ernst. Hast Du wirklich erwartet, dass da niemand was sagt?“
„Gehofft, Kumpel. Ich hab’s gehofft.“

„Und jetzt?“
„Hab’s gelöscht. Hab einfach keinen Bock auf die Xte fruchtlose Diskussion darüber, was Frauen alles nicht dürfen sollten. Ich kann’s nicht mehr hören. All dieses abwertende und ausgrenzende Geschwätz.“

„Und trotzdem beschäftigt es dich.“ kommentiert Phil.
„Ja. Tut es. Ich versteh’s einfach nicht…“
„Männer“ sagt Phil.
„Nee“ entgegne ich. „Der Kommentar kommt von einer Frau!“
„Na super.“

Wir üben uns ein paar Momente im Synchronkopfschütteln.
„Hmmm…“ meint der Vierbeiner schließlich „es muss doch immens anstrengend sein, den Jesus und seine Botschaft wieder und wieder zu ignorieren.“
„Jetzt bin ich neugierig…“

„Naja. Der spannende Twist bei Eurem Ding mit Jesus ist doch genau der: Dass er sich angreifbar macht! Dass er sich berühren lässt. Weil er euch berühren will. Eure Herzen. Dass ihr einen Gott habt, der offensichtlich keinerlei Berührungsängste hat. Einen, der mehr als deutlich sagt, was er von jeder Form von Ausgrenzung hält. Nämlich nichts!“

„Naja. Aber ungeweihte Hände. Dazu noch weibliche ungeweihte Hände. Der arme Jesus“ stichele ich.
„Alter!“ knurrt Phil „Wenn man den Jesus schon schützen will, dann doch bitte eher vor irgendwelchen Superchristen, die seine Worte mit Gewalt in ihr winziges Weltbild zurechtbiegen und ihn einfach nicht ernstnehmen…“
„Amen.“

„Stopp!“ ruft Phil. „Einen Gedanken hab ich noch.“
„Her damit.“
„Diese Monstranz…“
„Was ist mit der?“
„Die ist doch am Ende nicht mehr, als ein goldenes Dingens, mit dem ihr an Fronleichnam den Jesus durch die Gegend tragt.“
„Hätte ich anders formuliert. Aber ja. Kann man so sagen.“
„OK. Find ich ganz nett.“
„Ganz nett?“
„Richtig.“

Ich warte ab. Der nachdenkliche Hundeblick sagt mir, dass noch was kommt.
„Weißt Du, was viel cooler ist?“ fragt Phil.
„Was denn?“

„Jedes Mal, wenn ihr Eucharistie feiert, seid IHR danach sowas wie Monstranzen. Nur noch viel cooler. Lebendige, zerbrechliche Gefäße, die Jesus in sich tragen. Dann ist es euer Job, seine Hände zu sein. Jede Frau, jeder Mann, jedes Kind. Ohne Berührungsängste vor der Welt. Im Gegenteil. Umarmen sollt ihr sie. So wie der Jesus vom Corcovado. Krasse Sache, oder?“

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