Aufmerksam sitzt Phil auf seiner Decke, während Andi und ich über den Gottesdienst am Samstag Abend reden. Der soll in Falkenstein gefeiert werden. In der kleinen Kirche, die seit einigen Wochen eine Baustelle ist. Im Lauf der Jahre sind die Fenster und das Dach undicht geworden. Hin und wieder tropft es während der Predigt auf meinen Kopf. Hier und da bilden sich bei Unwetter Pfützen im Kirchenraum.
„Also, Carsten. Im Moment ist die Kirche noch voll eingerüstet“ sagt Andi und zeigt mir Bilder auf seinem Smartphone. „Siehste: Die Bänke, der Altar und die Orgel sind mit Folie abgeklebt. Die Maria auch. An den Wänden und im Altarraum sind überall große Metallgerüste. Und Staub. Überall Staub.“
„Was denkst du?“ frage ich.
„Naja. Baustelle halt. Andererseits ist Kerwewochenende. Wäre schon schön, das mit einem Gottesdienst zu feiern. Und meine Eltern haben diamantene Hochzeit…“
Unser Nachdenken wird von einem Räuspern unterbrochen.
„Leute“ wufft der Hund. „Macht euch doch nicht so nen Kopf. Macht doch einfach. Feiert euren Gottesdienst. Baustelle hin oder her.“
„Ist schon ein bisschen Aufwand, die Folien wegzuräumen und Platz zu schaffen. Und dann wird’s immer noch ne staubige Baustelle sein“ gibt Andi zu bedenken.
„Eben!“ sagt Phil „Genau so passt das!“
„Wie meinst du das?“ frage ich ihn.
„Jungens. Das liegt doch auf der Hand“ erklärt der Vierbeiner. „Ihr feiert Kerwe. Kirchweihfest. Vor fast 50 Jahren haben die Leute aus’m Ort die kleine Kirche gebaut und sie eingeweiht. Wenn Ihr diesen Tag auf einer Baustelle feiert, zeigt das doch was.“
„Was?“
„Na, dass Eure Kirche immer schon eine Baustelle war und es immer sein wird. Dass Eure Kirche etwas Menschengemachtes ist. Euer Projekt ist es doch, am Reich Gottes mitzubauen. Das macht ihr seit über 2000 Jahren. Mal kommt was echt Gutes dabei rum; mal baut ihr euch irgendeinen Blödsinn zusammen, der einfach nur krumm und schief ist.“
„Hey“ ruft Andi. „Unsere Kirche in Falkenstein ist nicht krumm und schief. Nur ein bisschen undicht!“
„Darum geht’s mir gar nicht.“ sagt Phil. „Ich meine, dass es echt gut ist, dass ihr nach wie vor am Bauen seid. Der Tag, an dem ihr damit fertig seid, wird das Ende eurer Kirche sein.“
Verständnislos schaue ich zu Andi.
Er zuckt mit den Schultern.
„Ganz einfach“ sagt Phil. „Eure Kirche. Die ist kein Projekt, dass man einfach so beenden kann. Wenn ich euren Jesus richtig verstanden habe, dann hat er euch den Auftrag gegeben, mit den Menschen durch die Zeit zu gehen. Immer auf der Suche zu bleiben und zu überlegen, wie die Frohe Botschaft jetzt und hier ein spürbares Zeichen der Liebe Gottes sein kann.“
„Du sprichst schon wie ein Theologe“ kichere ich.
„Nicht frech werden!“ grinst Phil – und ergänzt „Andersrum: Die Welt verändert sich. Die Menschheit entwickelt sich. Euer Job ist es, da mitzugehen. Nicht im Gestern stehenzubleiben. Weil ihr dann irgendwann wirklich „von Gestern“ seid und einpacken könnt. Darum wird und darf eure Kirche immer eine Baustelle bleiben. Damit die Menschen von heute darin ein Zuhause finden. Einen Zufluchtsort. Einen Hoffnungsort. Ein Zuhause. Und kein Museum…“
„Respekt.“ nicken Andi und ich.
„Dann machen wir das so“ sagt Andi. „Ich räume ein bisschen auf. Nur ein bisschen. Und dann feiern wir am Samstag unsere Kerwe. Mitten in der Baustelle. Hat was.“
Phil lächelt.
Wir auch.
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